Fußwanderung


Mai 1986










von

Sellhorn


nach

Celle



1.Tag, Sonntag 18.05.1986


Um 16:35 Uhr haben wir uns von den Ausflüglern getrennt. Die Rucksäcke wiegen ca.10 12 kg, stören aber noch nicht. Von der Sellhorner Ecke geht es recht flott nach Behringen und von dort aus weiter nach Bispingen. Dort, am Brunnen vor der Kirche werden kurz die Finger gesäubert (ca. 18:10 Uhr).


Wir beschließen bis zur Luhequelle zu gehen und dort in wassernähe zu lagern. Die Quelle wird jedoch nicht gefunden. Laut dröhnt die Autobahn. Gegen 19:15 Uhr richten wir unser Lager ein und spannen die Ponchos. Kleines Feuer und Wurst braten, habe eigentlich gar keinen Hunger, auch keinen Durst. Esse nur ein Würstchen und 3 Scheiben Brot. Gemütliches Feuer und Radiomusik. Wetter sieht gut aus. Legen uns um 22:00 Uhr in unsere Ponchos. Einschlafen können wir jedoch so schnell noch nicht.




2.Tag, Montag 19.05.1986


Die Nacht ist doch recht unbequem gewesen. Hanglage und Autobahngeräusche. Wache 4:45 Uhr auf. Stehen kurz 5:00 Uhr auf. Es scheint schönes Wetter zu werden, es ist jedoch noch recht frisch. Morgentoilette, Frühstück und Lagerabbauen in ca. 1.5 Stunden. Marschieren also gegen 6:30 Uhr los. Finden kurz darauf die Luhequelle. Entlang der Autobahn geht es jetzt in Richtung Süden. Erreichen Stübenhorn gegen 8:15 Uhr. Von hier aus weiter in Richtung Soltau.

In der Nähe eines großen Campingplatzes verlaufen wir uns das erste Mal; für die nächsten Stunden fanden wir keine Kreuze mehr. Nach langem Irrweg, teilweise direkt neben der Autobahn, kehren wir bei "Erika", einer schnuddeligen Truckerabsteige in Harber ein. Lediglich Dosen scheinen hier angeraten zu sein. Andy läßt sich nicht vom Kippenkauf abhalten. Unsere, speziell meine, Füße schmerzen bereits höllisch. Ich finde den Mut und öffne die Schuhe : hinten, unten und vorn an beiden Füßen dicke Blasen. Sie müssen angestochen werden.


Ein Weitergehen scheint unmöglich, zumal wir jetzt auf Beton bzw. Asphalt nach Soltau hineinmarschieren müssen. Gegen 11:15 Uhr gelangen wir zu der dortigen JH, wo wir unsere Wasserflaschen füllen. Das Gehen ist kaum mehr zu ertragen. Nach langen Runden durch den Ort geht es in riesigem Bogen im Böhmedreieck (bei Bockel) durch die Mittagsglut. Die Wege sind nicht sehenswert und nur ein Umweg. Zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr machen wir Rast vor dem Öhlshof (bei Bockel) und essen Würstchen. Die Füße sind nur noch schmerzende Klumpen. Das "Angehen" klappt kaum noch. Auch die Muskeln von Oberschenkeln und Waden rebellieren jetzt. Jetzt folgt das nächsten Dreieck bis nach Lührsbockel. Haben jetzt die Autobahn wieder überquert, es geht in ewigen Kehren in Richtung Wietzendorf. Unser Gehtempo ist fast nicht mehr meßbar. Alles tut weh, wir sind völlig erschöpft.


In Wietzendorf angelangt, ca. 18:00 Uhr, fällt es schwer warmes Essen zu bekommen. Erst im zweiten Lokal bekommen wir für 15,  DM ein Tellergericht. Die Menge ist zwar nicht besonders sättigend, aber es schmeckt recht gut. Wie soll es jetzt nur weitergehen? Gegen 19:30 Uhr schlurfen wir unter Schmerzen aus dem Ort. Das Nachtlager muß bald gefunden werden. Unsere Stimmung ist leidlich, aber die körperliche Verfassung läßt ein Weiterwandern fraglich erscheinen. Andy scheint sich einen "Wolf" angelacht zu haben. Kurz nach 20:00 Uhr sind wir am Waldrand angelangt. Mückenverseucht!!! Zwischen jungen Birken bauen wir unser Lager auf. Meine Luftmatratze ist nicht in Ordnung, ein Flicken fehlt. Ich dichte die Stelle provisorisch mit Tesa Band. Um 21:00 Uhr liegen wir alle im Schlafsack und hauen verzweifelt um uns. Die Mücken summen, die Füße brennen, Horrido! So richtig schläft vor 24:00 Uhr wohl keiner von uns. Die Mücken dringen in die kleinsten Luftlöcher ein. Wir schwitzen und leiden.




3.Tag, Dienstag 20.05.1986


Wache um 7:00 Uhr auf. Wieder schönstes Wetter. Stehen alle sofort auf und brechen das Lager ab. Das Frühstück wird wegen der Mücken verschoben. Weiter geht es 7:45 Uhr in Richtung Müden. Die Füße und Beine haben sich in der Nacht doch wieder etwas erholt und so geht es recht gut voran. Die Karte stimmt nach unseren Beobachtungen überhaupt nicht mit der Realität überein.


Es geht über endlose Panzertracks, das Gehen ist Äußerst unbequem. Die Stiefel und Hosen werden von einer Staubschicht bedeckt. Um 9:00 Uhr machen wir an einem kleinen Seitenweg Frühstücksrast. Diesmal gibt es die Haferflockenmischung kalt (schmeckt m.E. sehr erfrischend). Bald darauf stoßen wir dann doch noch zum angekündigten 7 armigen Wegweiser. Die Arme sind jedoch abgesägt! Wir befinden uns mitten im Übungsgebiet der Bundeswehr. Zu allem Überfluß werden wir plötzlich von einer Batterie Panzerartillerie überholt. Der Lärm und die Erschütterungen sind furchtbar. Die Soldaten blicken mürrisch und wundern sich wohl über uns. Jetzt wird es uns zu dumm. Wie biegen vom Wege ab und umgehen in südöstlicher Richtung. Kommen aber trotzdem recht flott zum Hermann Löns Stein. Es ist jetzt 10:00 Uhr. Wir beschließen von hier aus querfeldein in Richtung Hermannsburg zu gehen und Müden auszulassen.


Etwa 12:00 Uhr erreichen wir dann Hermannsburg und kaufen erst einmal ein (Wurst, Saft, Milch etc.). Nach einer ersten Stärkung vor dem Laden geht es weiter in Richtung Ortskern. Da das Wetter so schön, lockt in einem Café die Veranda, ich spendiere jedem von uns einen großen Eisbecher. Derart erfrischt gehen wir durch Parkanlagen und kühlen auf einem Bootsanleger in der Örtze unsere Füße. Jetzt einen Canadier haben! Gegen 14:00 Uhr geht es weiter in Richtung Celle. Nachdem Matthias am Ortsrand noch Angela angerufen hat, marschieren wir fast genau Richtung Süden. Nach wenigen Kilometern kommen wir auf eine staubige Rollbahn wo die Füße im losen Sand versinken und die Sonne uns die rechte Körperseite versengt. Ringsum nur niedrige Kiefern  und Lärchenanpflanzungen da hier 1975 ein großer Waldbrand 55 qkm Wald vernichtet hat. Fast völlig erschöpft geht es auf den Citronenberg (84m).


Kurz darauf gelangen wir an einen riesigen See mit mehreren Fischteichen, das Wasser ist sehr klar und erfrischt herrlich. Meine Füße schmerzen schon wieder höllisch, aber auch Andy und Matthi sind recht schlapp. Nach relativ kurzem, aber trotzdem furchtbaren Wegstück erreichen wir das Forsthaus Kohlenbach. Wie eine Insel inmitten der Neuanpflanzung ragen die riesigen alten Bäume rings um das Forsthaus aus der Sonnenglut empor. Im Kohlenbach kühlen wir schon wieder unsere malträtierten Füße und waschen erneut den Staub von Armen und Beinen. Am Forsthaus vorbei, wo wir die hübsche "Försterliesel" erblicken, wollen wir noch ca. 2 km gehen um aus dem Naturschutzgebiet hinauszugelangen und dann zu lagern.


Aber erneut, es ist kaum zu ertragen, stoßen wir auf Bundeswehrgelände. Gezwungenermaßen geht es also weiter. Treffen kurz vor der Kaserne auf einige Landser. Völlig fertig schleichen wir in eine Lärchenschonung und richten ab ca. 19:45 Uhr unser Nachtlager. Heute wollen wir die Ponchos mal nicht aufspannen. Recht erschöpft liegen wir kurz darauf in unseren Schlafsäcken. Andy macht noch Klopse warm; Milch trinken wäre mir jetzt lieber! Erneute, wenn auch etwas gemäßigte Mückenplage. Hinzu kommt lediglich, daß wir offenbar in unmittelbarer Nähe der Standortschießanlage liegen. Selbstverständlich ist heute ein Nachtschießen angesetzt; alle zehn Minuten wird aus allen Rohren gefeuert. Der Lärm endet aber dann unvermittelt nach 23:00 Uhr. Bis auf das Mückengesumme ist nun alles ruhig, so schlafen wir jetzt schnell ein.




4.Tag, Mittwoch 21.05.1986


Gegen 4:00 Uhr erwache ich von merkwürdigen Grunzlauten. In höchstens zehn Meter Entfernung trappelt ein Wildschwein und starrt mich an. Als ich mich erneut bewege läuft es laut grunzend davon. Der Himmel ist recht düster, heute scheint es schlechteres Wetter zu werden.


Etwa 6:30 Uhr werden wir dann auch vom Regen geweckt. Die schnell herausgeholten Ponchos bedecken uns und unsere Ausrüstung nur leidlich ab. Gott sei Dank ist es nur ein kurzer Schauer. Derart aufgeschreckt stehen wir dann schnell auf. Da wir für die Haferflockenmischung kein Wasser mehr haben, brechen wir ca. 7:30 Uhr ohne ein Frühstück auf.


Nach Celle sind es noch fast 10 km. Auf meist uninteressanten Wegen bzw. Asphaltstraßen die unsere Füße peinigen geht es nun in Richtung Süden. Ab und zu regnet es leicht. Kurz nach 9:00 Uhr sind wir in Celle an der dortigen JH. Kein Laden weit und breit zu sehen! Nach kurzer Zeit verlieren wir auch noch das Kreuz. In einem Getränkemarkt laben wir uns. Die Etappen in den Orten quälen besonders. Nachdem ich in einer Parkanlage abgeprotzt habe erkennen wir, daß wir völlig falsch gegangen sind. Kurze Zeit später erreichen wir den Bahnhof. Es regnet wieder etwas.


Da unsere Verfassung ein Weitergehen zu einer einzigen Qual machen würde und das Wetter auch nichts Gutes verheißt, beschließen wir, es für diesmal zu belassen und nach Hause zu fahren. Zu unserer Freude fährt der Zug wenige Minuten später, so daß wir ihn gerade noch erreichen. Um 13:15 Uhr bin ich dann zurück bei Petra und Robby.


Du bist Leser Nummer seit dem 23. Juni 1998

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